Gesund erwachsen werden
Ich habe gestern meinen Bruder in seiner Kaserne abgesetzt, weil es für ihn morgen in einen 5 monatigen Einsatz geht.
Ein seltsames Gefühl den kleinen Bruder in die Welt hinausgehen zu sehen, wo wir doch noch gestern im Hochbett unseres Kinderzimmers geschlafen haben.
Seit dem Tod meines Stiefvaters sehe ich das Leben durch andere Augen. Nun vielleicht durch diesselben, aber mit einer anderen Perspektive.
Alles im Leben ist eine Frage des Standpunktes.
Und das Thema Tod ist ein Kontrast vor dem jedwede Entscheidung relativiert wird.
Als Kinder sind wir neugierig, mutig und liebevoll.
Als Erwachsene lernen wir durch unser Umfeld uns eine Rolle auszusuchen und diese dann möglichst kohärent und gradlinig auszuüben.
Spielen, Fehler machen, aus Freude heraus Dinge tun, werden abgelöst durch Leistungsdruck, Erwartungshaltungen und Schuldgefühle wenn wir ersteres inkohärent zu dem konstruierten Charakter ausleben wollen.
Im immerwährenden Gefühl beobachtet zu sein, sei es durch die selbstentwertenden Gedanken unseres eigenen Kopfes.
Die Epidemie der Selbstentwertung beginnt in der Kindheit durch andere, bis man es als Erwachsener dann so sehr internalisiert hat, dass eine Selbstidentifikation mit eben jenen abwertenden Gedanken passiert.
Aus „Du bist…“ als Kind, macht der Erwachsene „Ich bin…“.
„Mehr Kind sein“ ist ein Satz, der heutzutage das Phrasenschwein füllt.
Die Idee mag richtig sein, wenngleich sie eher zur romantisierten Semantik verkommt.
Ein Kind ist inkompetent die Erwachsenendinge zu regeln. Es ist nicht die Aufgabe des Kindes.
Wo ich nun erwachsen bin, will ich nicht mehr Kind sein. Ich will erwachsen sein.
Gesund erwachsen.
Mit all dem was mich als Kind ausgemacht hat, aber auch mit all den Kompetenzen und Erfahrungen, die mir mein erwachsenes Leben bisher beigebracht hat.
All das ist nur möglich, wenn ich weiterhin lerne Schuld- und Schamgefühle hinter mir zulassen und Liebe und Mitgefühl zu kultivieren.
Zuerst mit mir selbst, dann mit anderen.