Der Blick des Blinden durch Brillen
Es gibt Dinge, die könnten mich verrückt machen.
Angst.
Unzuverlässigkeit.
Unehrlichkeit.
Hunger.
Ach ja, und Warten.
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Zum Teil liegt es daran, dass ich es nicht in der Hand habe.
Orientierungslosigkeit.
In der Schwebe.
Kontrollverlust.
Unerreichbarkeit.
Dieses Gefühl von,
nicht wissen wo ich dran bin,
die Realität durch eine undurchsichtige Brille sehen,
den Kopf starr nur auf eine Sache gerichtet haben.
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Habe ein Problem.
Übertrage meine Werte auf andere Menschen.
An sich, macht das (fast) jeder.
Doch es stresst mich.
Weil ich von mir selbst so viel erwarte,
ist meine Messlatte sehr hoch.
Heißt nicht, dass ich dadruch besser bin.
Habe nur eine andere Brille auf.
Die Sicht dadurch verschwimmt von Zeit zu Zeit.
Grenzen nicht mehr deutlich.
Mein eigenes Bild vereinnahmt mein regulatives Moralzentrum.
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Brillen.
Sollen fast Blinde sehend machen.
Und bereits Sehende blind.
Wir haben alle eine Brille auf.
Ganz individuell.
Und modellierbar.
Wer kann uns nun sagen, ob wir sehen oder blind sind?!
Der kleine Prinz lernte vom Fuchs:
"Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
Was sehe ich dann?
Oder bleibe ich in Wahrheit blind.
Blind für das Wesentliche.
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Mich beschleicht das Gefühl,
dass niemand die Antwort darauf weiß.
Weil wir nur durch unsere Augen,
nur durch unsere Brillen sehen können.
Spiegelneuronen hin oder her.
Diese kommen aber wieder aus Richtung Herz.
Empathie.
Mitleid.
Kummer.
Trauer.
Aber auch:
Liebe.
Freude.
Mut.
Begeisterung.
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Mischung aus Herz, Bauch und Kopf.
Lerne ich so das Sehen?
Das Sehen in der Dunkelheit, die mich umgibt,
trotz der ganzen Farben und Formen, die ich vermeintlich "sehe".
Sehen als mehrteiliger Prozess.
Ein Teil Intuition.
Ein Teil Gefühl.
Ein Teil Verstand.
Ich probiere es aus.
Wenngleich ich auch nur den Blick ins Innere finde,
und mich mehr erkenne (sprich: sehe),
hat sich dieses Experiment für mich gelohnt.
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Bild: ©François Fontaine